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27.10.2025
6. Neuchâtel Super 8 Films Festival: «Wir hätten wohl auch 60 Anmeldungen geschafft»

Sorgte an den Projektoren für eine reibungslose Filmvorführung: David Cinelli.
Bereits zum 6. Mal ging am 18. Oktober in Neuchâtel das «tourné-monté»-Festival über die Bühne. Die Startplätze waren in Rekordzeit ausgebucht. Das Filmprogramm kam vor allem in der zweiten Hälfte so richtig in Fahrt.
Es ist faszinierend und absonderlich zugleich, wie die siebte Kunst im letzten Jahrzehnt allein endlos Trends aufkommen, gehen, über sich ergehen lassen hat. Die jüngst anrollende Flut KI-generierter Videos – inhaltlich bisweilen zum Abstrusesten ausartend, wirbelt gegenwärtig die Medienwelt dermassen auf, wie wir dies bis vor Kurzem kaum für möglich gehalten hätten. Da mutet es fast surreal an, dass ein analoges Schmalfilmformat 2025 den 60. Geburtstag feiert. 1965 als Heimkinoformat von Kodak auf den Markt gebracht, in den 1980er-Jahren durch die anrollenden VHS-Wellen verdrängt, führt Super 8 heute nur noch ein Nischendasein. Man würde es wohl auch in der Filmszene kaum mehr wahrnehmen, existierten nicht bis heute engagierte Fangruppen, fänden nicht ab und an erhellende Filmscreenings eigens für Super 8 statt. Ein Filmabend dieser Art fand am 18. Oktober 2025 im fast voll besetzten Temple du Bas in der Neuenburger Altstadt statt.
Die Filmemacherinnen und -macher entdecken ihre Werke am öffentlichen Screening
Das Neuchâtel Super 8 Filmfestival ist ein tourné-monté-Filmwettbewerb, was in Deutsch mit gedreht-geschnitten übersetzt werden kann. Die Filmerinnen und Filmer drehen den Film somit in chronologischer Reihenfolge mit dem Auslöser der Super-8-Filmkamera. Die unentwickelte Film-Kassette von 3.5 Minuten (bei 18 Bildern pro Sekunde) senden sie dann der Festivalleitung zurück, welche sich um die Entwicklung kümmert. Was den Reiz des Festivals ausmacht: die Filmemacherinnen und -macher sehen ihre Werke am Neuchâtel Super 8 Films Festival zum ersten Mal zusammen mit dem Publikum. Dieses Überraschungsprogramm macht das Neuchâtel Super 8 Films Festival zu einem Happening der ganz besonderen Art. Auch für Mitorganisator und Moderator Michel Chappuis ist dies immer wieder ein magischer Moment: «Das Licht geht aus, das Publikum beginnt zu klatschen und du weisst, jetzt sind alle bereit für etwas ganz Besonderes, das da kommt.»
Die Formation I Skarbonari sorgte für das musikalische Rahmenprogramm.
Nach 78 Minuten waren alle Startplätze weg
Das biennale Festival fand seit 2015 bereits zum 6. Mal statt und feierte zugleich sein 10-jähriges Bestehen. In dieser Zeit erlangte der Anlass in der Super-8-Community eine treue Anhängerschaft. Diesen Mikrohype belegt die Zahl 78: So viele Minuten dauerte es, bis nach Aufschalten der Online-Anmeldung am 1. Juni 2025 punkt Mittag alle rund 35 Startplätze vergeben waren. 15 Anmeldungen standen auf der Warteliste. Angesichts dieses Runs ist Chapuis überzeugt, dass wahrscheinlich einige ganz auf die Registration verzichteten: «Wir hätten wohl locker 60 Anmeldungen erlangt.» Gezeigt wurden schiesslich 31 Filme aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Spanien. Zwei Filme wurden bei einer vorgängigen inhaltlichen Kontrolle aussortiert, vier verpassten die Rücksendefrist vom 8. September.
Grosse Bandbreite an inhaltlichen und gestalterischen Ausdrucksformen
Das Filmprogramm wurde in vier Blöcken zwischen musikalischen Einlagen einer Live-Band präsentiert. Nach einer eher verhaltenen ersten Hälfte, nahm das Programm nach der Pause immer mehr an Fahrt auf und zeigte eine unglaubliche Bandbreite an inhaltlichen und gestalterischen Ausdrucksformen in Sachen Bild und Ton. Einige Teilnehmende halten dem Festival seit Jahren die Treue. So Joaquin Asencio, der bereits zum vierten Mal aus Sevilla anreiste. In seiner in schwarz-weiss gedrehten Komödie MODERN PAINS erzählt der Spanier vom Pech eines ungeschickten Familienvaters, der sich im Umgang mit Hightech-Geräten verheddert. Das Publikum honorierte den Film mit den 2. Publikumspreis. Ebenfalls wieder am Start waren Greg Czech mit Cécile Chevalier und Jean-David Rochat, welche mit ihren drei Töchtern eine hinreissend poetische imaginative Reise zum Stand ans Meer drehten. BAMOSSAE ALLA PLAÏA gewann am meisten Publikumsstimmen.
Cécile Chevalier und Jean-David Rochat mit den Kindern Lucie, Alice und Lara nach der Projektion von BAMOSSE ALLA PLAÏA.
Erfreulicherweise begeistern sich auch junge Leute für Super 8, wie die Theatergruppe um Alexandre Renaud-dit-Louis und Honoré Jaquet aus dem neuenburgischen Fresens. ECOUTE-MOI ! holte sich als toll inszeniertes Drama den Nachwuchs-Jurypreis. Wie im Vorjahr warteten einige Projektionen dem Publikum mit Live-Vertonung auf. Simple aber reizvoll war der Beitrag BLINDLINGS des Baslers Renatus Zürcher, welcher den Blickwinkel einer Person mit Blindenstock filmte. Bei der Livevertonung kam ein am Stock befestigtes Mikrophon zum Einsatz: sich durch ein eigens aufgebautes Set tastend, gab es allerleih Raschelgeräuschen von sich. Von genialer Einfachheit war TROUBLE FÊTE der Geschwister Patrick, Anne-Marie, Lucas und Valentine aus Couvet. Die im Look der 1970er-Jahre inszenierte Geburtstagsfeier würde glatt als echte Amateur-Aufnahme aus der Hochblühte von Super 8 durchgehen, käme in einem Geschenk nicht plötzlich ein ganz mysteriöser Gegenstand zum Vorschein – ein iPhone! Wie die Geschichte dann weitergeht ist Kopfkino pur.
Was die Zukunft des Neuchâtel Super 8 Festivals angeht, kann man nur auf die 7. Ausgabe 2027 hoffen. Michel Chappius glaubt fest an sie und verspricht: «C'est prévu !»
Gewinnerinnen und Gewinner des ENS8FF 2025.
Samstag, 18. Oktober 2025
www.ens8ff.ch
Die Gewinnerinnen und Gewinner ENS8FF 2025
Jurypreis:
Rang 1: De l’eau — Charles Dudoignon-Valade, Nice (F)
Rang 2:Marée basse — Anatole Bosc & Tiphaine Paquier, Romainville
Prix Espoir (Erstteilnahme): Ecoute-moi! – Alexandre Renaud-dit-Louis & Honoré Jaquet, Fresens (CH)
Publikumspreis:
Rang 1: Bamosse alla Plaïa — Greg Czech, Cécile Chevalier & Jean-David Rochat, Champagne-en-Valromey (F)
Rang 2:Modern pains (Douleurs modernes) — Joaquin Asencio, Sevilla (E)
Rang 3:Ecoute-moi! – Alexandre Renaud-dit-Louis & Honoré Jaquet, Fresens (CH)
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