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05.11.2017
ENS8FF 2017: Neuchâtel wird zum Mekka für Super 8

Bereit für einen tollen Super-8-Filmabend: Die beiden Xenon-Projetoren ELMO GS 1200.
Die zweite Ausgabe des Neuchâtel Super8 Film Festivals war ein voller Erfolg und hatte vom Animations- bis zum Naturfilm für jeden Geschmack etwas zu bieten.
Auf dem Campus der Universität Neuchâtel. Der Saal ist mit 300 Besucherinnen und Besuchern bis fast auf den letzten Platz beleg, die Stimmung entspannt. Was folgt ist ein Filmprogramm, das vom Animations- bis zum Naturfilm der Langeweile keinen Platz lässt. Das ENS8FF-Super8-Festival bewies in seiner zweiten Ausgabe vom 28. Oktober eindrücklich, dass Super-8-Anlässe dieser Grösse auch heute noch möglich sind. Die beiden Organisatoren Michel A. Chappuis und David Cinelli zeigten sich mit dem Festival rundum zufrieden, vom grossen Erfolg aber nicht überrascht. «Wir hofften auf einen vollen Saal. Unsere Veranstaltung war in vielen lokalen Medien erwähnt» resümiert Chappuis das Medienecho im Vorfeld. Die Hauptschwierigkeit bei solchen Anlässen läge ohnehin, wie Chappuis weiter erklärt, beim Mobilisieren der teilnehmenden Filmerinnen und Filmern. Dabei konnten die beiden auf ihr landesweites Netzwerk in der Super-8-Szene abstützen.
«Tourné-Monté»: Gedrehtes Schneiden
Das Festival fand nach dem Prinzip des «Tourné-Monté» statt, was sich auf Deutsch mit «gedrehtes Schneiden» übersetzen lässt. Dabei erhielten die Teilnehmenden nach einer vorgängigen Anmeldung vom Veranstalter eine unbelichtete Super-8-Kassette zugesandt. Diese konnten sie dann nach Belieben belichten. Einzige Bedingung: Die Kassette musste unentwickelt an die Organisatoren zurück gesandt werden. Gesehen hatten die Filmemacherinnen und Filmemacher ihre Werke vor dieser Premiere nicht.
Ein abendfüllendes Programm von 18 Filmen zu je dreieinhalb Minuten kam so zustande. Die Beiträge kamen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz und stammten zu einem Grossteil von sehr jungen Teams. Viele Filme überraschten das Publikum durch ihre technisch wie inhaltlich gelungene Machart. Kommt hin zu, dass fast alle Filme live oder ab Konserve vertont waren. Dabei trotzten einige Autorinnen und Autoren dem «Tourné-Monté»-Konzept eine nahezu perfekt synchronisierte Tonspur ab. All dies liess einen vergessen mit welch simplen Mittel die Filme produziert wurden: Ohne Postproduktion, ohne eine einzige Klebestelle. Die ganze Schnittarbeit musste während dem Dreh in der Kamera erfolgen und insbesondre bei narrativen Inhalten in chronologischer Reihenfolge gedreht werden.
Moderator Michel A. Chappuis führte mit Humor durch das Programm und in den Pausen sorgten Cédric Liardet am Akkordeon und Gil Reber am Schlagzeug für musikalische Unterhaltung. Wesentlich zum Erfolg trug das gestochen scharfe Bild der beiden Xenon-Projektoren bei. Keine leichte Aufgabe wartete nach dem Wettbewerbsprogramm auf die dreiköpfige Jury, der David Pfluger aus Basel, die lokale Filmemacherin Orane Burri und Vincent Jourdan von der Super8-Gruppe «Le regard indépendant» aus Nice in Frankreich angehörten. Aus dem vielfältigen Mix von Animation, Kunst, Trash, Dokumentar, Sci-Fi, Klamauk und nicht Einzuordnendem galt es sich für drei Gewinnerfilme zu entscheiden. Dass die Filme auch vom technischen Handwerk sehr unterschiedlich daherkamen, erleichterte den Entscheid keineswegs, wie David Pfluger erklärte: «Ganz simple Streifen können durch Spontaneität und eine gute Idee brillieren.»

Jeremy Rossier (4. v.l.) und sein Team freuen sich über den dritten Platz für «La grande découverte».
«Super 8 gehört als Film auf die Leinwand projiziert»
Das Programm zeigte auf wunderbare Weise die breiten Eissatzmöglichkeiten von Super 8 auf, und dass sich mit technisch beschränkten Mitteln ein kurzweiliges Filmprogramm realisieren lässt. Am schönsten sei das Schmalfilmformat ohnehin als Filmprojektion, wie David Pfluger feststellt: «Die Digitalisierung kann gute Ergebnisse liefern und erleichtert viele Dinge wie die Verbreitung via Internet, aber Super 8 Film gehört als Film projiziert auf die Leinwand. Nur so kommen die brillianten Farben des Farbumkehrfilms und die schöne Palette an Dichten des Schwarzweissfilms wirklich zur Geltung.» Die beiden Organisatoren Michel A. Chappuis und David Cinelli denken schon an die nächste, dritte Ausgabe des ENS8FF-Super8-Festivals. Dieses planen sie fortan in einem biennalen Turnus weiterzuführen. Das erste ENS8FF-Super8-Festival fand im Oktober 2015 anlässlich des Global Super 8 Day statt.
www.ens8ff.ch
www.regardindependant.com
Die Gewinnerinnen und Gewinner
Jurypreise:
1. Le Gobelin Romantique (Der romantische Kobold) von Gilles Muller, Penthalaz, CH; Ein gut ausgedachter, frecher Animationsfilm der mit synchroner Tonspur brillierte.
2. La infinitième étage (Das unendlichste Stockwerk) von Etienne Piergiovanni und Team, Lausanne, CH; Ein witziger und auf allen Ebenen gut umgesetzter Kurzfilm über einen unbescholtenen Physiker, der auf dem Weg zu einer Bewerbung für einen Job, sich in einem Treppenhaus wiederfindet, das die Logik von Zeit und Raum durchbricht.
3. La grande découverte (Die grosse Entdeckung) von Jeremy Rossier und Team, Fontainmelon, CH; Die Präsentation der Entdeckung des Jahrhunderts, die alle unsere Leben verändern wird. Der einfach gemachte, stumme Film bestach durch seine witzige und überraschende Idee und dem Spiel mit dem Tourné-Monté Konzept.
Publikumspreise:
1. La infinitième étage (Das unendlichste Stockwerk) von Etienne Piergiovanni und Team, Lausanne, CH.
2. Mortel Kombo (Tödliche Kombo, in Anlehnung an das Videospiel "Mortal Combat") von den Brüdern Stragiotti, Neuchâtel, CH; Eine lustige und etwas chaotische Umsetzung der Welt der Videospiele in Super8.
3. Opération Chaperon Rouge (Operation Rotkäppchen) von Cie Le Grillon und Team aus Neuchâtel, CH; Eine Gruppe Revolutionäre schleicht sich in eine militärische Sperrzone. Ein Film der wegen seiner sehr aufwändigen Ausstattung und pyrotechnischen Spezialeffekten auffiel.
Die Jury entschied sich zudem spontan einen Ehrenpreis an Roger Batteaults zu vergeben, der mit 77 Jahren wohl der älteste Teilnehmer war. Mit seinem Film Festival dans la prairie (Festival im Grasland) zeigte er technisch fantastisch ausgeführte Makroaufnahmen von Insekten. Der aus dem französischen Beaune stammende Filmer dreht seit vielen Jahren dokumentarische Naturaufnahmen auf Super 8, die es mit einem professionellen Dokumentarfilm aufnehmen können und in der Xenon-Projektion besonders gut zur Geltung kamen.
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David Cinelli sorgte für eine technisch einwandfreie Projektion.

Rappelvoller Saal im Foyer des Campus der Universität Neuchâtel.

Moderator Michel A. Chappuis (l.) im Gespräch mit Roger Batteaults, der einen Ehrenpreis erhielt.

Volle Konzentration: Tobi Berndt und Nora de Baan bei der Livevertonung ihrer Doppelprojektion «Stereo 8».
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