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  22.4.2002

Früh übt sich, wer böse Filme drehen will

Von Sascha Bruhn

Grüsse aus der Medienstadt Köln! Hier arbeite ich seit sechs Jahren als freier Kameramann und Filmemacher, seit einem Jahr auch kommerziell ausgerichtet (ohne Moos nix los) in der eigenen Produktionsfirma (http://www.bgsfilm.de). Als digitaler Spätzünder habe ich erst vor gut einem Jahr meinen ersten Ausflug ins Internet gewagt und bei dieser Gelegenheit festgestellt, daß mein altes Steckenpferd, Super 8, ausgerechnet dort, noch «quitschlebendig» seine Runden zieht.

Wie vermutlich viele Super-8-Bewanderte meines Alters (Jahrgang 72), habe ich eines Tages den Schritt vom Gefilmten zum Filmer vollzogen und die Ausrüstung meiner Eltern beschlagnahmt. Mein erstes Werk entstand 1981, hiess «Die entführte Königstochter» und war ein Kung-Fu-Film nach einer Episode der «Kung Fu»-Comic-Reihe. Nach den Dreharbeiten feuerte ich meine Mutter als Kamerafrau und liess sie künftig nur noch als Produzentin wirken. Wenig später fischte ich eine Videozeitschrift aus einem Altpapier-Container und las begeistert den in fünf Zeilen verfassten Plot eines Horrorfilms. So entstand (was war Copyright?) «Freitag der 13».

Um meinen folgenden Sciencefictionfilm «Der Kampf um die Erde» vertonen zu können, drängte ich meine Mutter, einen Bauer T-610 zu kaufen – vergeblich.
Ich war so heiss auf diesen Projektor, dass ich ernsthaft versuchte, ihn durch reine Konzentration auf eine Prospektabbildung aus dem Nichts zu materialisieren. Am Ende bekam ich zwar «nur» einen gebrauchten Revue-Ton-Projektor, dafür mit sieben dreiteiligen Super-8-Kauffilmen, darunter Schätze wie «StarTrek» und «Jeder Kopf hat seinen Preis» von Marketing Film, die mir der grosszügige Anbieter des Projektors gegen 50 Mark Aufpreis überliess.

In der Anonymität der Super-8-Sammlerszene, konnte ich, so ausgestattet, endlich alle Filme beschaffen, die mein Herz vor allem darum höherschlagen liessen, weil sie nicht für mein Alter freigegeben waren und von den abgründigen Begebenheiten des Lebens erzählten. Noch heute schwören Kenner unter den Horror-Sammlern auf Super-8-Titel wie «Das Böse», «Zombie» oder «Man Eater». Zeigen sie doch, fast spiegelverkehrt zu den handelsüblichen Videofassungen, alles, was mit dem Inkrafttreten des Anfang der 80er Jahre verschärften Jugendschutzgesetzes der Zensurschere zum Opfer viel.

Bei meinen schnell steigenden Ansprüchen, geriet ich recht bald in eine Super-8- Krise. Weder stellte es mich länger zufrieden, wahnwitzig inhaltlich gekürzte Super-8-Fassungen zu sehen, noch kam es für mich als Filmemacher in Frage, weit über tausend Mark für eine Komplettfassung zu sparen, anstatt für viel weniger einen eigene Film zu drehen. Auch die Tonprobleme bei Eigenproduktionen liessen mich regelmässig verzweifeln: Was für ein Irrsinn, den kostbaren Originalfilm bei komplizierten Nachvertonungen als reinen Tonspurträger in Grund und Boden zu nudeln!

Erst später, als ich ins heissersehnte professionelle Filmgeschäft hineinschnupperte, lernte ich die andere Seite der Medallie kennen: Je uneingeschränkter die technischen Möglichkeiten, desto grösser die Gefahr das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Viele jüngere Kollegen, die mit der Beliebigkeit des Videofilms gross geworden sind, tun sich heute schwer, in ihren Filmen formal oder inhaltlich auf den Punkt zu kommen, frei nach dem Motto: «Einfach mal probieren, kost’ ja nix.»
Wo allerdings mehr Geld erforderlich ist, als man selbst unter den grössten Entbehrungen aufbringen kann, was beim kommerziellen Film nun mal die Regel ist, da ist die Entwicklung vom freien zum unfreien Filmemacher unvermeidlich. Wohl denen also, die sowieso nichts anderes vorhaben, als massenverträgliche Filme zu drehen!

So hatte ich mich ganz schnell wieder mit dem Super-8-Film versöhnt. Meine heutigen Filme schneide und vertone ich jedoch im PC, nachdem ich sie direkt nach der Entwicklung auf DV abtasten lasse. Nun kann ich sie stressfrei so vollenden, wie es mir vorschwebt. Und sollte einer meiner Filme wider Erwarten doch einmal auf grösseres, mit Geld verbundenes Interesse stossen, kann ich das Originalmaterial immer noch auf jedes erdenkliche Format, bis hin zu 35 mm, kopieren. Bis dahin bleibt für mich die Verbreitung auf Videokassette die realistischste Variante.

Ich setze Super-8-Film heute also weniger aus nostalgischen, sondern aus handfesten pragmatischen und formalen Gründen ein: Zunächst einmal ist es das preisgünstigste Filmformat. Sein grobes Korn bei offener Blende, die intensiven Farben (K40), die steilen Kontraste und seine Unzulänglichkeiten in Sachen Bildstand und Filmandruck, all das, in Verbindung mit einer ausgefeilten Lichtführung, kann Super-8-Bildern eine extrem surreale Aura verleihen, die den von mir bevorzugten Genres – Phantasie, Psycho und Horror – atmosphärisch sehr zuträglich ist.

Auf ein anderes Phänomen, mit dem ich mich schon seit Jahren herumschlage, könnte ich hingegen getrost verzichten: Statische Entladungen, die, wie mir eine Kodak-Sprecherin aus Lausanne freigiebig erklärte, im Entwicklungslabor beim Herausziehen des Filmmaterials aus der Kassette entstehen und sich als blaue Blitze auf das Material belichten. Dieser Effekt trete nur in den Wintermonaten auf, bedingt durch die niedrige Temperatur der Filme bei der Anlieferung in das warme Labor (mögen die Physiker unter Euch verstehen, wovon sie spricht).
Diese Blitzer würden jedoch selten reklamiert, da sie nur auf wenig oder gar nicht belichteten Bildern auffallen. Kein Trost für jemand wie mich, der keine hell erleuchteten Urlaubslandschaften filmt, sondern schattenreiche Gruselkulissen und weisse Titel vor schwarzem Hintergrund ...
Sie versprach, die immerhin 50 Kassetten meines neuen Films «Goldgarten»
(http://www.bgsfilm.de/goldgarten.html), um den ich mich sorgte, einige Tage vor der Entwicklung bei sich im Büro zu akklimatisieren. Vergeblich: Kaum ein Film kam unverblitzt zurück. Schade, hielt ich es doch die längste Zeit für realistisch, meinen ersten 90-Minüter auf Super 8 zu drehen. Genau wie die Dogma-Filmer das DV- Format kinofähig gemacht haben, so hätte auch der Super-8-Film das Zeug dazu, nachdem er sich in Werbe- und Videoclips bereits etabliert hat.

Doch solange Kodak zu borniert ist, durch professionelles Handling seines Monopolprodukts einer solchen Vision zumindest eine Chance zu geben, vergeht interessierten Kollegen und mir natürlich die Lust auf ein, in dieser Form unkalkulierbares, Abenteuer. Als müsste ich froh sein, dass überhaupt noch Super-8-Filme hergestellt werden, entgegnete mir die Kodak-Sprecherin zum Thema blaue Blitze abschliessend: Das Super-8-Segment ist zu unbedeutend, um einem so speziellen Problem mit erforderlichen Neuinvestitionen entgegenzutreten.

Nicht gerade ermutigend. Aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verständlich.
Denn auf der anderen Seite sei auch dies gesagt: Um den Super-8-Film am Leben erhalten, reicht es leider nicht, nur gut von ihm zu reden und zu schreiben, man muss ihn vor allem kaufen. Auch so kann man der eigenen Kreativität auf die Sprünge helfen: Wer sich erst einmal bis zur finanziellen Schmerzgrenze mit Material eingedeckt hat, wird garantiert den unwiderstehlichen Drang verspüren, auch etwas Sinnvolles damit zu drehen. Und Kodak könnte auf den Gedanken kommen, dass es sich vielleicht wieder lohnt, an vergangene Qualitätsstandards zumindest anzuknüpfen, anstatt die Produktion doch irgendwann aufzugeben, wenn auch die letzte Maschine ihren Geist aufgegeben hat.

In diesem Sinne alles Gute
Sascha Bruhn


Sascha Bruhn Kurzbio- und Filmographie
1972 geboren in Memmingen
1980

Umzug nach Göttingen
1981 «Die entführte Königstochter» (Super 8, 6 Min.)
1982 «Freitag der 13» (Super 8, 3 Min. -unvollendet)
1984 «Der Kampf um die Erde» (Super 8, 30 Min.)
1987 «Familie Bätz» (Super 8, 30 Min.)
1992 «Jubel, Trubel, Heiterkeit» (Super 8, 27 Min.)
1996 «Symphonie» (Super 8, 10 Min.)
«Almeida» (35 mm, 7 Min.)
1999 «Zirkus ohne Manege» (Super 8, 27 Min.)
2000 «Der Mützefluch» (VHS, 70 Min.)
«Niklas Stahl» (DV, 10 Min.)
«Der Kaugummiverkäuferjunge» (DV,10 Min.)
2002 «Goldgarten» (Super 8, 33 Min. in Postproduktion)




Szenenbilder aus dem Film «Goldgarten».



Die blauen Blitzer sind praktisch nur in dunklen Stellen der Filme zu sehen.